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Strafverfahren wegen vermeintlicher Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz nicht eröffnet



Das Landgericht Oldenburg eröffnet das Hauptverfahren gegen den Geschäftsführer und zwei Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens wegen vermeintlicher Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz nicht.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hatte gegen den Geschäftsführer und zwei Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens, das im Landkreis Cloppenburg eine Niederlassung unterhält, Anklage wegen Vergehen gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 8 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Oldenburg erhoben. Gemäß der Anklageschrift soll das Unternehmen in dem Zeitraum vom 08.11.2017 bis zum 21.02.2018 in fünf Fällen Tierarzneimittel, die den Wirkstoff Pentobarbital-Natrium enthielten, nach Japan und in die USA exportiert haben, ohne im Besitz der dafür nach der Anti-Folter Verordnung der Europäischen Union erforderlichen Ausfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gewesen zu sein. In zwei weiteren Fällen soll es bei einem Versuch geblieben sein.

Die Wirtschaftsstrafkammer hat die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Als Begründung führte die Kammer aus, dass das den Angeschuldigten vorgeworfene Verhalten nicht gemäß § 2 Abs. 3 StGB bestraft werden könne, weil das einschlägige Strafgesetz nach der Beendigung der Tat geändert wurde und das angeklagte Verhalten zwischenzeitlich nicht strafbar war.

Wird ein Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz anzuwenden. Es gilt also bei Änderungen des die Strafbarkeit begründenden Gesetzes nach Tatbegehung das Meistbegünstigungsprinzip: Die Tat ist nach der für den Täter günstigsten Rechtslage zu beurteilen. Daraus folgt auch, dass eine Tat, die sowohl bei Begehung, als auch zur Zeit der Entscheidung strafbar, zu irgendeinem Zeitpunkt dazwischen aber straflos war, nicht bestraft werden kann.

Aus Sicht der Kammer war dies vorliegend der Fall. Denn das den Angeschuldigten vorgeworfene Verhalten war in der Zeit ab Ersetzung der alten Anti-Folter-Verordnung durch die neue Anti-Folter-Verordnung vom 16. Januar 2019 bis zur Anpassung der Verweisung in § 18 Abs. 4 AWG mit Wirkung zum 17.07.2020 straflos.

Die Straflosigkeit beruht darauf, dass der Straftatbestand in dem genannten Zeitraum nicht hinreichend bestimmt war. Denn der § 18 Abs. 4 S. 1 Nr. 8 AWG verwies in der alten Fassung statisch auf die alte Anti-Folter-VO, die jedoch bereits aufgehoben war. Zudem nahm § 18 Abs. 4 S. 2 AWG alte Fassung dynamisch auf die jeweils geltende Fassung der Anhänge II, III bzw. IIIa der alten Anti-Folter-VO Bezug, obwohl es infolge der Aufhebung und Ersetzung dieser Verordnung zu diesem Zeitpunkt eine „geltende Fassung“ der Anhänge nicht mehr gab. Für den Normadressaten war anhand des Wortlauts des Strafgesetzes daher nicht mehr mit der erforderlichen Bestimmtheit zu ermitteln, welches Verhalten strafbar ist, so dass in dieser Zeit eine Strafbarkeitslücke bestand.

Gegen den Beschluss steht der Staatsanwaltschaft die sofortige Beschwerde zu.

Artikel-Informationen

erstellt am:
09.02.2021

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